Rotbuch

Spontan fielen mir seinerzeit tausend Dinge ein, die von Natur aus gar nicht wirklich ROT sind, aber dennoch mit der Farbe ROT besetzt sind, denn bei vielen Begriffen sehe ich im wahrsten Sinne des Wortes ROT. Recht schnell verdichtete sich die Idee, genau dieses ROT in einem Buch, einem ROTBUCH zusammenzutragen, darzustellen, mit meiner Arbeitstechnik alle diese Missstände in Glas zu ritzen, das Glas genau mit diesen anklagenden Botschaften destruktiv und unabänderlich zu verändern, um zumindest einiges Negative für immer und für Alle lesbar festzuhalten.

Genau wie im Gedächtnis soll der Betrachter in diesem ROTBUCH blättern können: In unseren Köpfen lagern stets viele Dinge gleichzeitig übereinander, werden zum Teil auch in dieser Viel-schichtigkeit auf einmal in Erinnerung gerufen, ohne sich sofort in Einzelheiten zu verlieren, was jedoch nach einigem Überlegen (manchmal) nach und nach gelingt, oft genug auch nicht; einige Erinnerungen bleiben so dicht, und es gelingt bisweilen nicht, einzelne Details zu beleuchten.

Ist man jedoch konzentriert und in guter Verfassung, so ist es möglich, Schritt für Schritt an den Erinnerungen entlangzuwandern, von aktuell bis immer weiter rückwärts. Ganz genau chronologisch bekommt man die Reihenfolge von der Gegenwart bis in die ferne Vergangenheit natürlich nicht immer hin. Ab und zu blitzt schon mal was auf, was weiter zurückliegt, während das Naheliegendere sozusagen im Nebel bleibt. Oder umgekehrt.

So funktioniert auch mein ROTBUCH. Es besteht aus einem Deckblatt oder einem Buchdeckel, durch das/den man auf sieben Seiten im Inneren des Buches schauen kann. Über jeder Seite befinden sich kleine Lämpchen, die vom Betrachter per Schaltknopf eingeschaltet werden können und solange, wie man diese eingeschaltete Seite anschauen möchte, muss der Schalter gedrückt bleiben - parallel zur "normalen" Gedächtnisarbeit.

Und wie im richtigen Leben beleuchten die einzelnen Lämpchen NICHT nur genau diese eine Seite, sondern sie erhellen auch das Umfeld. Das Umfeld all der "Unwörter", die für komplexe Sach-verhalte der letzten Jahre stehen, für deren Existenz wir Menschen uns schämen müssten. Wünschenswert wäre es, wenn gerade die Urheber dieser Unwörter sich diese Schandtaten ins Gedächtnis riefen, sich schämten - und es käme nicht mehr zu solchen Missständen. Ein frommer Wunsch.

Das ROTBUCH sollte ursprünglich ganz ohne Farbe gestaltet werden, und das ROTE sollte allein durch den Inhalt zum Tragen kommen. Die gravierten „Gedächtnis-Seiten” sollten jedoch nicht im luftleeren Raum stehen, sondern auch real ein ROTBUCH - rotes Buch - werden, und so bot es sich an, den Buchseiten als I-Tüpfelchen einen Rotschnitt zu verpassen.

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